Auf den Spuren von ...
Massimo Brigatti, Kundenbegleiter SBB

Von den Flugzeugen zu den Zügen ist ein kleiner Schritt, könnte man meinen, wenn man die Laufbahn dieses SBB-Kundenbegleiters ansieht. Er ist zufrieden mit einem Beruf, der ihn mit vielen Menschen zusammenbringt, der ihn nie langweilt und der ganz sicher kein Kindheitswunsch war.
Massimo Brigatti kam 2012 in die Welt der Bahn «ein bisschen zufällig», nachdem er Jurisprudenz studiert und verschiedene Berufe ausgeübt hatte, unter anderem als Linienpilot und im Rettungsdienst. Arbeitslos und mit einem kleinen Sohn absolvierte er die Ausbildung zum Zugverkehrsleiter im Rahmen eines SBB-Zweitausbildungsprogramms. Er arbeitete in dieser Funktion einige Jahre im Tessin, dann in Göschenen und Erstfeld. Vor rund vier Jahren wollt er etwas ändern und wechselte in die Kundenbegleitung.
Ein Beruf, der nie langweilt
«Ich arbeite immer noch für dieselbe Unternehmung, aber Zugverkehrsleiter und Kundenbegleiter sind zwei völlig unterschiedliche Tätigkeiten, ebenso unterschiedlich wie das Arbeitsklima», erläutert Massimo, der sich in seiner neuen Rolle sehr wohl fühlt: «Es ist ein sehr spannender und abwechslungsreicher Job, bei dem ich die Möglichkeit habe, mit vielen Menschen zu interagieren und auch meine Erfahrung anzuwenden.» Am besten gefällt ihm an diesem Beruf der Kundenkontakt und die Abwechslung. «Jedes Mal, wenn man ein Billett kontrolliert, ist es eine neue Geschichte und man weiss nie, was passieren wird.» Er verschweigt nicht, dass es auch einige negative Aspekte gibt, vor allem im Zusammenhang mit Gewalt und den Aggressionen, denen das Personal des öffentlichen Verkehrs ausgesetzt ist.
Das Problem der Übergriffe
Massimo erklärt, dass seit Anfang Jahr bereits fast 200 Aggressionen gegen das Zugpersonal verzeichnet wurden, was sehr spürbar ist, und gegen das die SBB kürzlich eine Sensibilisierungskampagne lanciert hat. Seiner Meinung nach ist die grösste Herausforderung im Arbeitsalltag der Wechsel zwischen freundlicher Dienstleistungsbereitschaft und dem Umgang mit Situationen, die zu eskalieren drohen. «Wir müssen zuweilen der Kundschaft klar machen, dass Freundlichkeit keine Schwäche ist.»
Er selbst sagt, er habe noch nie Angst gehabt, auch wenn er manchmal mit heiklen Situationen konfrontiert wurde: «Ich mache diesen Job noch nicht lange, aber nach dem, was mir Kolleginnen und Kollegen erzählen, hatte man früher mehr Respekt vor uns. Heute kommen verbale Aggressionen viel häufiger vor. Manchmal fällt es den Leuten schwer zu verstehen, dass wir einfach nur unsere Arbeit machen und nicht zum Spass Bussen aufbrummen.» In diesem Zusammenhang findet Massimo die Entscheidung der SBB, den Verkauf zu kontrollieren und Bussen zu verhängen. Dies sei kontraproduktiv für das Personal, das sich in einem durch Aggressionen und der laufenden BAR-Erneuerung bereits angespannten Kontext unnötig unter Druck gesetzt fühlt. «Die überwiegende Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen arbeitet hart, und die Nutzung ihres Spielraums kann den Unterschied zwischen einer Win-Win-Schlichtung und einer unnötigen Eskalation bis hin zur Aggression, ausmachen.» Die Beibehaltung der heutigen Situation wäre daher eine Geste der Wertschätzung für die geleistete Arbeit und ein Zeichen des Vertrauens.
Das gewerkschaftliche Engagement
Heute ist Massimo Vizepräsident des ZPV und Sekretär des ZPV Tessin. Für ihn war die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft eine Selbstverständlichkeit. Als er 2012 bei der Bahn vor der Wahl stand, welcher Gewerkschaft er beitreten wollte, hatte er keine Zweifel: «Es ist eine Tatsache, dass eine Gewerkschaft umso stärker ist, je repräsentativer sie ist. Das macht ihre Stimme als Sozialpartner wichtig und findet Gehör. Die Zahl der vom SEV bei der SBB vertretenen Kolleginnen und Kollegen ist im Vergleich zu anderen Gewerkschaften so gross, dass ich keine Zweifel hatte», erklärt er. Heute hat er sich entschlossen, eine aktive Rolle in der Gewerkschaft zu spielen, denn: «In dieser Phase meines Lebens, nachdem ich sowohl von der SBB als auch vom SEV so viel erhalten habe, habe ich das Gefühl, dass es an der Zeit ist, etwas zurückzugeben, und so habe ich mich zur Verfügung gestellt.» Massimo sitzt am Verhandlungstisch für die Erneuerung der BAR: «Es sind harte Verhandlungen und ich fühle mich sehr verantwortlich. Ich habe das Gefühl, dass viele Erwartungen in mich gesetzt werden, weil die Grundlagen für unsere Arbeit in den kommenden Jahren gelegt werden.»
Die Freizeit
Ausserhalb der Arbeit spielt Massimo, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, gerne Schlagzeug: «Das sind schöne gemeinsame Momente mit meinem Sohn, der elektrische Gitarre spielt, und auch mein Spannungsabbau». Im Juni werden sie ihren ersten Konzertauftritt haben, was er nie erwartet hatte: «Ich bin in solchen Dingen eher schüchtern, aber ich habe auch Lust, vor Publikum aufzutreten.» Und einmal pro Jahr nimmt er sich die Zeit, Pilger zu spielen und ist alleine auf langen, meditativen Wanderungen unterwegs, auf denen er seine Grenzen und unerwartete Energien entdeckt.
Veronica Galster