Branche Bus
Vom Vizepräsidenten zum Busfahrer
Manuel Avallone war 21 Jahre beim SEV und war Vizepräsident, als er 2021 in vorzeitige Pension ging. Valérie Boillat ist seit Februar 2024 Vizepräsidentin beim SEV und unter anderem zuständig für die Busbranche. Nicht schlecht staunte sie, als sie erfuhr, dass Manuel Avallone jetzt als Busfahrer bei Bernmobil aushilft. Ein Gespräch.
Valérie Boillat: Manuel, wir kennen uns schon viele Jahre. Bevor ich zum SEV kam, arbeitete ich bei Movendo, dem Bildungsinstitut der Gewerkschaften. Dort warst du im Vorstand und wir hatten immer gut zusammengearbeitet. Jetzt bist du Busfahrer in der Stadt Bern. Was hat dich auf den Bus gebracht?
Manuel Avallone (lacht): Ich war selbst auch ein bisschen erstaunt, dass ich plötzlich hinter dem Steuer eines Bernmobil-Busses sitze. Aber das passt zu mir. Ich war immer offen für alles. Ich habe ursprünglich eine Lehre als Bauzeichner und Maurer gemacht. Via meine damalige Gewerkschaft GBH, die später Teil der Unia wurde, bin ich Gewerkschafter geworden. Dann wurde ich Lehrer. Als der SEV vor etwa zwei Jahrzehnten den ersten GAV mit der SBB aushandeln musste, holten mich Ernst Leuenberger und Giorgio Tuti zurück in die Gewerkschaftswelt. Ich hatte bereits Erfahrung gesammelt beim GAV-Verhandeln und konnte den SEV entsprechend unterstützen. Schliesslich blieb ich bis zu meiner vorzeitigen Pensionierung. Danach wollte ich nicht mehr in irgendwelchen Gremien sitzen und traf zufällig einen alten Freund, der eigentlich Koch ist. Er erzählte mir, dass er jetzt als Busfahrer arbeitet. Das fand ich spannend, herausfordernd und eine gute Idee. Ich bewarb mich bei Bernmobil.
Wie fühlt es sich an, nicht mehr als Gewerkschafter zu arbeiten, sondern als Chauffeur im öffentlichen Verkehr?
Ehrlich gesagt, ist es schon anstrengend. Ich habe nie Busse gefahren. Ich hatte vor vielen Jahren den Fahrausweis für Lastwagen gemacht. Deshalb durfte ich bei Bernmobil relativ schnell hinter das Steuer. Jetzt arbeite ich als Aushilfe. Wenn Not im Fahrdienst ist oder die Kolleginnen und Kollegen in die Ferien wollen, springe ich ein. Und natürlich bin ich jetzt nicht mehr nur Mitglied bei der Unia und des SEV. Ich bin auch noch VPOD-Mitglied geworden, weil diese Gewerkschaft für das Personal bei Bernmobil zuständig ist. Es ist enorm wichtig, in der Gewerkschaft zu sein. Die Arbeit des Buspersonals ist hart. Die Dienstschichten können sehr lang sein. Und du musst immer voll konzentriert sein, damit du nicht eine Velofahrerin umfährst oder einen dieser Handy-Zombies, die dauernd auf den Bildschirm starren statt auf die Strasse.
Wir machen jetzt wieder eine Umfrage zur Gesundheit des Buspersonals. Hast du da auch mitgemacht?
Selbstverständlich. Es ist sehr wichtig, dass die Öffentlichkeit erfährt, wie es dem Buspersonal geht. Es besteht Handlungsbedarf, denn das Personal kämpft mit vielen Problemen. Es ist auch im Interesse der Unternehmen zu wissen, wo der Schuh drückt. Nur wenn das Personal gesund ist, findet man genügend Nachwuchs und kämpft nicht ständig mit Krankheitsausfällen. Die Unternehmen müssen sowieso flexibler werden. Einige reagieren auf den Personalmangel, indem sie die Ausbildung vereinfachen. Das ist nicht der beste Weg. Sie müssten auch offener werden im Bereich Teilzeit. So könnte man lange Dienstschichten auf zwei Personen aufteilen. Auch wenn es im ersten Moment mehr kostet, mehr Leute Teilzeit arbeiten zu lassen, lohnt sich die Investition. Ich habe das Gefühl, darüber diskutieren die Unternehmungen auch, aber am Schluss werden finanzielle Aspekte höher gewichtet als gesundheitliche, und es passiert nicht viel. Deshalb ist es enorm wichtig, dass die Gemeinden und Kantone weiterhin Geld in die Hand nehmen, um die lokalen Verkehrsbetriebe zu unterstützen. Und selbstverständlich muss auch der Bund helfen. Es darf keine weiteren Sparmassnahmen geben.
Hast du mir noch einen Tipp als ehemaliger Vizepräsident des SEV?
Immer wenn wir bellen, müssen wir auch beissen können. Wenn wir keinen Biss haben, nützt uns das Bellen nichts.
Michael Spahr