«Gemeinsam respektvoll unterwegs»
Sensibilisierungskampagne gegen Aggressionen lanciert
Unter dem Motto «Gemeinsam respektvoll unterwegs» haben SBB, SEV, VSLF und Transfair am 11. November eine Kampagne gestartet. Diese will Reisende und Mitarbeitende auf das Thema «Gewalt und Aggression» aufmerksam machen und sensibilisieren. Verschiedene Massnahmen sollen helfen, dass sich sowohl das Personal als auch die Fahrgäste im Zug und in Bahnhöfen sicher fühlen. Zudem hat die SBB ein neues Security-Trainingszentrum für das Personal im Centre Loewenberg in Betrieb genommen.
Ein Bahnkunde mit Bierbüchse in der Hand sitzt in einem Zugabteil und schnauzt eine Kundenbegleiterin an, die sein Billett kontrollieren will. Sie tritt einen Schritt zurück, ruft «Stopp» und versucht die Situation zu deeskalieren. Der aggressive Kunde lenkt ein und zeigt sein Billett.
Die Situation ist gestellt, könnte aber alltäglich sein. Eine Kundenbegleiterin besucht einen Kurs der SBB im neuen Trainingszentrum im Centre Loewenberg bei Murten. Ein Instruktor analysiert anschliessend die Situation mit ihr. Gemeinsam mit der Kundenbegleiterin übt er Verhaltensweisen bei brenzligen Situationen. Ziel ist, bei Aggressionen besonnen und professionell zu reagieren und damit die Situation zu beruhigen. Dabei sollen sich die Mitarbeitenden selbst nicht gefährden. Diese Schulungen finden seit dem Sommer 2024 in diesem neuen Trainingszentrum, aber auch andernorts statt.
Massnahmen gegen Aggressionen
Die Schulungen sind nur eine von mehreren Massnahmen, die von der SBB in Angriff genommen werden, um aggressives und gewalttätiges Verhalten im Zug einzudämmen. Seit längerer Zeit hat der SEV darauf gepocht, dass dieses Problem angegangen wird. «Die Kampagne ist ein guter Schritt in die richtige Richtung», sagt SEV-Gewerkschaftssekretär Jürg Hurni, der selbst jahrelang als Kundenbegleiter unterwegs war und manche schwierige Situation erlebt hat. «Viele Kolleginnen und Kollegen erzählen mir, dass das aggressive Verhalten in den letzten Jahren zugenommen hat.» Die SBB bestätigt, dass die Übergriffe gröber geworden sind. Sie zählt im Moment rund zehn Aggressionen pro Tag, obwohl das Sicherheitsempfinden in Schweizer Bahnhöfen und Zügen nach wie vor sehr hoch ist.
Unter Aggressionen versteht die SBB Beschimpfungen, Beleidigungen, Drohungen und Tätlichkeiten. Jede Tätlichkeit wird konsequent zur Anzeige gebracht. Seit Anfang 2007 sind Angriffe auf Personal des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz ein Offizialdelikt, das eine automatische Strafverfolgung nach sich zieht. Trotzdem hat aggressives Verhalten gegenüber dem Personal im öffentlichen Verkehr zugenommen und während der Covidpandemie einen traurigen Höhepunkt erreicht.
Gemeinsame Kampagne der Sozialpartner
Jede Aggression ist eine zu viel. Umso wichtiger ist diese neue Sensibilisierungskampagne. Mit einem Sujet auf Plakaten, E-Boards und Billettautomaten in Bahnhöfen sowie mit Postern in Zügen sollen Reisende und Mitarbeitende bis Ende Jahr für einen respektvollen Umgang miteinander sensibilisiert werden. Das Sujet ist ein Kaktus und ein Haufen Ballone (siehe Bild auf der Titelseite). Ziel ist es, Aggressionen im öffentlichen Verkehr zu reduzieren und ein friedliches Miteinander zu fördern. «Wir sind froh, dass die SBB auf uns gehört hat und das Anliegen angeht. Dass die anderen Sozialpartner in die Kampagne eingebunden wurden, ist sehr wichtig. Selbstverständlich muss es jetzt noch andere Massnahmen geben», sagt Jürg Hurni.
Bereits ergriffene Massnahmen der SBB
Neben der Kampagne und den Schulungen hat die SBB bereits folgende Massnahmen ergriffen:
Seit dem 1. September 2024 setzt die Transportpolizei schweizweit Bodycams ein. Diese sollen bei Konflikten deeskalierend wirken und so zur Sicherheit von Reisenden und Mitarbeitenden im öffentlichen Verkehr beitragen.
Die Transportpolizei und Transsicura sind verstärkt dann präsent, wenn am ehesten mit kritischen Situationen zu rechnen ist. Sie arbeiten dabei eng mit den örtlichen Polizeikorps zusammen und werden von zusätzlichen Sicherheitsdiensten unterstützt.
Ab 22 Uhr sind Kundenbegleiter und Kundenbegleiterinnen der SBB in allen Fernverkehrszügen immer zu zweit unterwegs. Auch auf Frühzügen oder tagsüber auf ausgewählten Zügen ist die Begleitung zu zweit gewährleistet.
Für den SEV ist es enorm wichtig, dass die Doppelbegleitung auf den Zügen wie angekündigt auch tatsächlich so gehandhabt wird. «Dies gilt im Besonderen für die Begleitung der Züge nach 22 Uhr. Es muss generell genügend Personal auf den Zügen anwesend sein, und dieses Personal darf nicht abgezogen werden», sagt SEV-Gewerkschaftssekretär René Zürcher. Ebenfalls wichtig ist dem SEV, dass die Transportpolizei ausgebaut wird, sowohl personell als auch geografisch. «Auch die Politik und die Polizeikorps der Kantone sind gefordert. Deshalb schlagen wir vom SEV vor, in naher Zukunft einen runden Tisch zu organisieren, an dem die verschiedenen Verantwortungsträger teilnehmen. Nur so können wir nachhaltig Gewalt und Aggressionen gegenüber dem Personal eindämmen.»
Michael Spahr