Umfrage «TRAPHEAC» bei Bus-Fahrer:innen
Ist Gesundheit ein berufliches Problem?
Seit dem 5. Juni läuft die Gesundheitsumfrage «Trapheac», die sich an Busfahrer:innen richtet. Ihr Ziel ist herauszufinden, inwiefern Organisation und Arbeitsumfeld krank machen. Entscheidend ist, dass möglichst viele den Fragebogen ausfüllen. Interview mit Irina Guseva Canu, Professorin am Zentrum Unisanté in Lausanne.
Warum eine vierte Gesundheitsumfrage beim Buspersonal?
Unisanté hat bei der dritten Umfrage mit den Gewerkschaften zusammengearbeitet. Die aktuelle Umfrage ist die erste Kohortenstudie mit dem Potenzial, die möglichen Ursachen von Krankheiten und Leiden am Arbeitsplatz zu identifizieren und, wenn das gelingt, sie mit berufsbedingten Belastungen in Verbindung zu bringen. Frühere durchaus sehr nützliche Erhebungen vermochten dies nicht, weil die Methode anders war. Einige Unternehmen waren alarmiert und haben bereits Initiativen im Bereich der Gesundheit am Arbeitsplatz ergriffen. Es bewegt sich etwas!
Es braucht also eine umfassendere Studie als bisher?
Auf jeden Fall! Mit dieser neuen Studie werden wir viel genauere Daten über die möglichen Krankheitsursachen erhalten und die besorgniserregendsten Probleme am Arbeits-platz identifizieren können. Wir werden beispielsweise die Auswirkungen von Arbeitszeiten und Lärm auf die Gesundheit besser messen können und sehen, wie Stress am Arbeitsplatz den Schlaf beeinträchtigt, die Müdigkeit verstärkt und letztendlich zu Krankheiten führen kann.
Nur eine grosse Kohortenstudie wie Trapheac vermag diese komplexe Abfolge von Kausalitäten aufzuzeigen. Unsere Argumente werden dann sehr stichhaltig sein, um Entscheidungsträger:innen und Verantwortliche davon zu überzeugen, zu handeln und in die Prävention und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu investieren. Denn wir werden die Berufsrisiken für das Fahrpersonal und die Auswirkungen auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden aufgezeigt und bewiesen haben.
Was ist eine Kohortenstudie?
Es handelt sich um eine wissenschaftliche Studie, die in der Gegenwart beginnt und in der Zukunft endet. Während dieser Zeit wird sie uns über die Veränderungen Aufschluss geben, die sich in den Bereichen berufliche Exposition (Vibrationen, Lärm usw.) und Gesundheit (Rückenschmerzen, Muskel- und Skeletterkrankungen, Stress) vollziehen, um die kausalen Zusammenhänge zwischen beiden zu untersuchen. Die Studie ist auf mehrere Jahre angelegt. Sie beginnt mit einem umfangreichen technischen Fragebogen, um die Ausgangssituation so gut wie möglich kennenzulernen.
Die Busfahrer:innen können aber beruhigt sein: Sie müssen nicht viel Text schreiben, sondern können bei den meisten Fragen Kästchen ankreuzen. Und die Fragebögen für die jährliche Nachbereitung werden auf zehn Minuten gekürzt. Sie dienen dazu, die Expositionsdaten zu aktualisieren, da sich die Expositionen verschlechtern oder verbessern können, wenn sich die Unternehmen für oder gegen Massnahmen entscheiden. Parallel dazu wird die Gesundheitsentwicklung aktualisiert, um kausale Zusammenhänge zu erkennen. Es wird regelmässige Ergebnisse geben, mit einer Bilanz in einem Jahr. Das Thema Schlaf wird als erstes untersucht.
Sie können also herausfinden, was mit den Lebensbedingungen im Privatleben und am Arbeitsplatz zusammenhängt?
Ich bin Epidemiologin. Mein Ziel ist es, für eine bestimmte Krankheit aufzuzeigen, welcher Anteil des Risikos von der Arbeit ausgeht und welcher von der Anfälligkeit der Menschen (Alter, sozioökonomische Probleme) und ihrer Lebensweise (Umweltverschmutzung in der Umgebung des Wohnorts).
Ziel ist es, herauszufinden, inwieweit bei Busfahrerinnen und Busfahrern ein schlechter Gesundheitszustand ein berufliches Problem darstellt oder nicht. Wenn wir aufzeigen können, dass es zum Beispiel die langen Arbeitszeiten sind, die zu einer fortschreitenden Verschlechterung des Stoffwechsels oder des Herz-Kreislauf-Systems führen, und dass der Anteil der Arbeit an dieser Verschlechterung mehr als 50 Prozent beträgt (oder 75 Prozent bei Krankheiten, die nicht auf der Schweizer Liste der Berufskrankheiten aufgeführt sind), dann wird die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) anerkennen müssen, dass es sich um Berufskrankheiten handelt.
Wie garantieren Sie Vertraulichkeit?
Ich garantiere volle Vertraulichkeit. Eine multikantonale Ethikkommission gibt den Rahmen vor. Dadurch ist diese Forschung geschützt. Der Persönlichkeitsschutz und die Vertraulichkeit der Daten haben Priorität. Unser Vertrag mit dem Bundesamt für Statistik (BfS) wurde von dieser Kommission sehr genau analysiert, um sicherzustellen, dass Datenkreuzungen nur zu Forschungszwecken vorgenommen werden. Sie dürfen die Daten nur zum Verknüpfen verwenden und an uns weitergeben. Die Daten werden von meiner Doktorandin Viviane Remy analysiert. Sie wird nicht sehen können, von wem diese Daten stammen.
Warum muss der Fragebogen ausgefüllt werden?
Füllen zu wenige Personen (weniger als 3000) den Fragebogen aus, kann er nicht ausgewertet werden, und die Teilnahme der Fahrer:innen war umsonst. Durch die Teilnahme erhält man ein wirklich genaues Bild von den Problemen wie auch von den positiven Aspekten. Und es wird so möglich sein, zu handeln und eine starke Öffentlichkeitswirkung zu erzielen.
Yves Sancey