Nein zu Efas am 24. November
Gegen die Krankenkassenlobby gewinnen
Am 24. November stimmen wir über die Gesundheitsreform «Efas» ab. Sie ist von der Krankenkassenlobby durchgesetzt worden und wirkt sich auf das Pflegepersonal, die Pflegequalität und die Prämienzahlenden schädlich aus, warnen die Gewerkschaft des Personals öffentlicher Dienste VPOD und der SGB. Nach ihrer Einschätzung schwächt die Reform die demokratische Steuerung des Gesundheitswesens und stärkt die Krankenkassen und deren Profit- und Renditelogik – und muss deshalb abgelehnt werden. Interview mit VPOD-Präsident Christian Dandrès.
Worum geht es bei dieser Abstimmung?
Christian Dandrès: Es geht um die Zukunft unseres Gesundheitswesens, das mit Efas der Marktlogik und Macht der Krankenkassen unterworfen werden soll. Es ist eine Gegenreform beim Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG), die die Bevölkerung am 24. November stoppen kann. Mit dem Ja zur 13. AHV-Rente und dem Nein zur missratenen Reform der beruflichen Vorsorge haben wir zwei Siege für unsere Renten errungen und die Versicherungslobby besiegt. Bei Efas müssen wir gegen die Krankenkassenlobby gewinnen. Hinter Efas steht der gleiche Wille, soziale Errungenschaften des letzten Jahrhunderts abzubauen, wie hinter den Angriffen auf die Pensionskasse oder auf den Mieterschutz, diesmal beim KVG.
Welche Logik steckt hinter Efas?
Efas richtet sich gegen die Sozialversicherungslogik, die alle Versicherten universell schützen will, und ersetzt sie durch eine Rationierung der Gesundheitsversorgung für jene, die nur eine Grundversicherung haben. Zugleich steigen damit die Profite für die Hauptakteure im Gesundheitssystem: Krankenversicherer, Kliniken, Pharmaunternehmen.
Führt Efas nicht zu niedrigeren Prämien?
Nein, sie wird zu höheren Krankenkassenprämien und höheren direkten Kostenbeteiligungen der Versicherten führen. Selbst Santésuisse macht daraus keinen Hehl. Die Kantone haben die parlamentarische Arbeit genutzt, um bei der Finanzierung der Gesundheitsversorgung Verantwortung abzugeben. Efas wird ihren Aufwand für Spitalaufenthalte um mehr als die Hälfte und für die Pflege der Senior:innen zu Hause und in Pflegeheimen im Schnitt um die Hälfte senken. In diesem Bereich steigt der Finanzierungsbedarf aber mit der Alterung der Bevölkerung und der Zunahme von Krankheiten im hohen Alter.
Mit Efas sollen die Gesundheitskosten zu mindestens 26,9 Prozent von den Kantonen finanziert werden und zu 73,1 Prozent von den Krankenkassen: Wie wirkt sich dieser nationale Kostenverteilungsschlüssel aus?
Unter dem Vorwand der «Vereinfachung» verschafft Efas den Krankenkassen die Kontrolle über das gesamte System. Die Kantone geben ihre Verantwortung für Spitäler und Pflegeleistungserbringer an die Krankenkassen ab, die so deren Hauptansprechpartner werden. Zusätzlich zu den 38 Milliarden Franken an Prämiengeldern, die wir jährlich einzahlen, verwalten die Krankenkassen neu nicht weniger als 13 Milliarden Franken unserer jährlichen Steuergelder, die die Kantone an sie abführen müssen. Das gibt den Kassen eine exorbitante Macht, obwohl sie undurchsichtig sind, z. B. was ihre Betriebskosten betrifft, und in ständige Interessenkonflikte verwickelt sind. Das ist sehr problematisch.
Für das Pflegepersonal und die Patient:innen ist also nichts Gutes zu erwarten?
Die Finanzlogik, welche die Prämien in die Höhe treibt, die Arbeitsbedingungen des Gesundheitspersonals verschlechtert und die öffentlichen Spitäler an den Rand des Bankrotts bringt, wird durch Efas auch auf die Pflegeleistungen ausgedehnt. Die laufende KVG-Revision setzt diese Logik fort: Rentabilität statt Qualität in der Altenpflege. Der Kampf gegen Efas ist genauso wichtig wie die Abstimmungskämpfe, die wir gegen die Verschlechterungen bei der AHV und der beruflichen Vorsorge BVG gewonnen haben. Es geht um nichts weniger als um Solidarität und Menschenwürde.
Yves Sancey mit «Services Publics», VPOD
Efas: Worum geht’s?
Efas ist eine der grössten Reformen des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) seit Jahren. Die Abkürzung steht für eine einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Behandlungen sowie der Pflegeleistungen zu Hause und im Pflegeheim. Mit Efas sollen all diese Leistungen zu mindestens 26,9% durch die Kantone und zu höchstens 73,1% durch die Krankenkassen finanziert werden. Bei den stationären Behandlungen (bei welchen Patient:innen über Nacht im Spital bleiben) sinkt der Kantonsanteil von bisher 55% auf 26,9%. Im Gegenzug sollen die Krankenkassen neben den Prämiengeldern neu auch 13 Milliarden an Steuergeldern verwalten, die ihnen die Kantonen mit freundlichen Grüssen überweisen würden, statt damit wie bisher direkt die Spitäler zu finanzieren. Bei den ambulanten Behandlungen steigt der Kantonsanteil von 0% auf 26,9%. So sinke die Zahl teurer Spitalaufenthalte und steige die Zahl ambulanter Behandlungen, was den Anstieg der Prämien dämpfe, behaupten die Befürworter:innen. Wirklich? Denn bei den Pflegeleistungen sinkt der Kantonsanteil von bisher 46% auf 26,9%…
Mit Efas gehen wir folgende Wette ein: Ist die Dynamik längerfristig im ambulanten Bereich grösser, dann werden die Kantone insgesamt stärker zur Kasse gebeten als bisher, d. h. der aus Steuergeldern finanzierte Anteil steigt und der aus Kopfprämien finanzierte sinkt, was wünschbar ist. Wächst aber die Langzeitpflege langfristig stärker als der Akutbereich, dann passiert das Gegenteil: Der Anteil der Kantone an den Gesundheitskosten sinkt, und die Prämienzahlenden werden anteilmässig stärker belastet. Weil die Bevölkerung immer älter wird, gibt es gute Gründe anzunehmen, dass Letzteres der Fall sein wird.
ysa/Fi mit VPOD und SGB