SEV-Umfrage beim Bus- und Trampersonal
Wir haben nur eine Gesundheit!
Der SEV startet eine Umfrage zur Gesundheit am Arbeitsplatz in Bussen und Trams, zusammen mit Syndicom und dem VPOD. Die Antworten, die von der Abteilung Unisanté der Uni Lausanne anonym ausgewertet werden, sollen aufzeigen, wie es um die Gesundheit des fahrenden Personals steht, und damit den Gewerkschaften ermöglichen, in Verhandlungen entschlossen aufzutreten.
«Die Gesundheit der Mitglieder ist ein zentrales Anliegen des SEV», hält Vizepräsident Christian Fankhauser fest. «Deshalb ist es wichtig, dass wir regelmässig abklären, wie es um die Gesundheit am Arbeitsplatz steht, um in den Verhandlungen mit den Unternehmen entsprechende Forderungen stellen zu können», ergänzt er. Seit 2010, als der Vorstand der Branche Bus auf massive Gesundheitsprobleme hingewiesen hatte, forscht der SEV in diesem Bereich. Diesen Frühling wird eine dritte Umfrage «Gesundheit am Arbeitsplatz» durchgeführt, um die Entwicklung der Arbeitsbedingungen und des Gesundheitszustands der Bus- und Tramführer:innen zu erheben. Sie alle werden zur Teilnahme aufgefordert.
Dieses Jahr beteiligen sich zwei weitere Gewerkschaften – VPOD und Syndicom – an der Umfrage. Das ermöglicht es, den Teilnehmerkreis deutlich auszuweiten, vor allem in der Deutschschweiz und bei Postauto. Dies führt zu einer noch grösseren Aussagekraft der Resultate, was wichtig ist, um die Forderungen gut abzustützen.
Wissenschaftlicher Rückhalt
Eine weitere Neuerung ist die Zusammenarbeit mit Unisanté, dem Universitätszentrum für Allgemeinmedizin im öffentlichen Gesundheitswesen. Es ist Teil der Uni Lausanne und untersucht den Einfluss der Arbeitsbedingungen auf die Gesundheit der Arbeitnehmenden. In Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften werden Professorin Irina Guseva Canu und Doktorandin Viviane Remy die Umfrageantworten auswerten. «Wir übernehmen den bestehenden Fragebogen und ergänzen ihn mit Fragen zur Laufbahn der Fahrer:innen bezüglich der benützten Fahrzeugtypen. Dank einer besseren Systematik werden die Daten aufgewertet und statistisch auswertbar», erklärt Professorin Guseva Canu. Die Umfrage erfolgt über einen digitalen Fragebogen (siehe Box). «Alles ist vollständig anonym. Es werden überhaupt keine persönlichen Daten abgefragt», hält sie fest. «Der wissenschaftliche Zugang wird es ermöglichen, die Herausforderungen bei der Gesundheit am Arbeitsplatz besser zu erfassen», sagt Fankhauser. «Das gibt den Resultaten mehr Gewicht und ermöglicht den Gewerkschaften ein entsprechendes Vorgehen gegenüber den Unternehmen. Wir haben somit wissenschaftlichen Rückhalt für unsere Forderungen.»
Für die Seriosität der Studie spricht, dass das Bundesamt für Verkehr und der Verband öffentlicher Verkehr schon ihr Interesse an den Resultaten angemeldet haben. In den nächsten Jahren erreicht die Babyboomer-Generation das Rentenalter, rund ein Viertel der Fahrer:innen müssen ersetzt werden. Um Unterbestände zu vermeiden, muss es auch den Unternehmen wichtig sein, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Berufsattraktivität zu steigern, vor allem bei den Jungen. Schon die früheren Umfragen haben strukturelle Probleme aufgezeigt, die den Beruf gerade für Frauen noch wenig attraktiv machen: schwierige Dienstpläne, schlechter Umgang mit Teilzeit, ungenügende sanitäre Einrichtungen.
Untersuchungen und Kampagnen
Die dritte Umfrage 2022 stützt sich auf die vorhergehenden von 2010 und 2018. Die Resultate hatten es dem SEV ermöglicht, die Wahrnehmungen des Vorstands über gesundheitliche Beeinträchtigungen zu bestätigen. Fankhauser erinnert daran, «dass die Resultate der ersten Umfrage es ermöglicht haben, verschiedene Kampagnen zu führen wie etwa ‹10 Stunden sind genug!› zur Verbesserungen der Arbeitszeiten und der Verkürzung der Dienstschichten sowie ‹WC statt Gebüsche›, die es ermöglicht hat, den Zugang zu WCs zu verbessern.»
Die Umfrage von 2018 hat eine markante Zunahme von Schlafstörungen, Appetitmangel und Verdauungsbeschwerden aufgezeigt, dies als Folge von Stress. Die Ursachen für Stress sind vielfältig: Einhalten des Fahrplans, ständige Wachsamkeit, um mit einem Fahrzeug von 10 bis 18 Tonnen anhalten zu können, Anfeindungen durch Reisende und andere Verkehrsteilnehmer:innen sowie schwierige Verkehrssituationen. Nachtarbeit und unregelmässige Dienste beeinträchtigen das Sozialleben wie auch Qualität und Dauer des Schlafs. Bei den Befragten von 2018 lag der Anteil von Stressbetroffenen doppelt so hoch wie im Schweizer Durchschnitt. Wenn der Stress zum Dauerzustand wird, sinkt die Reaktionsfähigkeit und gesundheitliche Beeinträchtigungen nehmen zu. Der Körper reagiert also mit Beschwerden auf die Arbeitsumstände.
Gewerkschaftsarbeit stärken
«Es ist wichtig, dass an der Umfrage möglichst viele Kolleg:innen teilnehmen, um die Entwicklung der Personalgesundheit besser zu kennen und um zu wissen, ob wir in der gewerkschaftlichen Arbeit die richtigen Schwerpunkte setzen», hält Fankhauser fest. «Je mehr Leute teilnehmen, umso glaubwürdiger sind wir gegenüber den Arbeitgebern, um unsere Forderungen bei kommenden Vertragsverhandlungen abzustützen.»
Elisabeth Küng, STI-Busfahrerin in Thun betont: «Wir haben nur eine Gesundheit! Diese gilt es zu schützen. Daher ist es wichtig, dass die Kolleg:innen an der Umfrage teilnehmen.»
Yves Sancey / Übersetzung: Peter Moor
Ab 23. Februar an der Umfrage teilnehmen!
Die Gewerkschaften verschicken am 23. Februar einen Newsletter per Mail an alle ihre Mitglieder, die Bus oder Tram fahren. Sie werden eingeladen, mit einem Klick auf den entsprechenden Link an der Umfrage teilzunehmen. Die Umfrage dauert nur wenige Minuten. Es ist möglich – und auch erwünscht –, den Newsletter weiteren Kolleg:innen weiterzuleiten, ob Gewerkschaftsmitglied oder nicht. Wer in diesen Berufen arbeitet und nichts erhält, kann den Link bei der jeweiligen Sektion anfordern. In den Dienstlokalen wird ein SEV-Info mit einem QR-Code zur Umfrage ausgehängt. Die Resultate werden im Mai vorgestellt und an Versammlungen diskutiert.