VPT-Tagung Zentralschweiz vom 19. November in Zuchwil/SO
Arbeitsunfähigkeit kann jeden treffen
Betroffene Busfahrer berichteten vor 200 Gewerkschafter/innen, was es heisst, plötzlich nicht mehr fahrtauglich zu sein. An der Podiumsdiskussion über «Entlassungen im öV infolge gesundheitlicher Probleme» nahmen auch ein Gewerkschaftssekretär, ein IV-Stellenleiter und der RBS-Direktor teil.
Gewerkschaftssekretärin Elena Obreschkow lancierte das Gespräch mit der Frage, was mit Busfahrern geschehen soll, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fahren können. Genau dies hatten die zwei Busfahrer auf dem Podium erlebt: Der eine – nennen wir ihn Peter – erhielt nach einer Hirnblutung mit zwei epileptischen Anfällen vom Arzt ein fünfjähriges Fahrverbot, obwohl keine weiteren Anfälle folgten. Sein direkter Vorgesetzter besuchte ihn im Spital und versprach: «Wir schauen zu dir.» Doch die «oberste Etage» erklärte dies als «Hüftschuss»: Sie lehnte es ab, intern nach einer anderen Einsatzmöglichkeit für Peter zu suchen, als er ein paar Monate später vom Arzt wieder als arbeitsfähig erklärt wurde, aber eben nicht mehr als Fahrer. «Es stand schon ein Termin mit der IV für die Reintegration, da wurde ich entlassen», erzählte der 55-Jährige. Obwohl im Firmen-GAV steht, dass der Lohn bei Krankheit zwei Jahre lang weiterbezahlt wird, war die Entlassung möglich, da Peter nicht mehr als krank, sondern nur noch als «arbeitsplatzbedingt arbeitsunfähig» galt.
Gewerkschaftssekretär Martin Allemann kritisierte den fehlenden Willen der Firma zur Reintegration, zumal sie mit 300 Angestellten die Möglichkeit dazu gehabt hätte: Peter arbeitet heute als Kontrolleur bei einem anderen Busbetrieb… «Er erhielt zwar ein ‹Newplacement› bezahlt, hat aber seine Heimat verloren.»
Der zweite Busfahrer – nennen wir ihn Thomas (heute 48-jährig) – wurde 2014 durch ein Burnout zuerst ganz arbeitsunfähig. Das gleiche Unternehmen offerierte ihm erfreulicherweise eine Büroarbeit, zuerst nur wenige Stunden pro Woche. «In einem mir vertrauten Umfeld wieder arbeiten zu können, hat mir sehr geholfen», berichtete Thomas. Allmählich wurde er gesund und darf heute wieder Busse lenken. Ob ihn andernfalls die Leitung nach der zweijährigen Lohnanspruchsfrist auch behalten hätte, ist fraglich. Doch Martin Allemann hält dem Unternehmen zugute, es habe bei ihm «ein Prozess stattgefunden». Peters Entlassung nach 29 Jahren im Betrieb löste beim Fahrpersonal einige Empörung aus, denn alle wussten: Es kann auch mich treffen!
Braucht es einen Fonds?
Weil diese Problematik das gesamte Fahrpersonal aller Unternehmen und bei den Bahnen neben dem Lokpersonal weitere Berufe mit sicherheitsrelevanten Tätigkeiten wie das Rangierpersonal betrifft, und weil dies ausgesprochene Monopolberufe sind, will der SEV mit den Unternehmen über einen Branchenfonds diskutieren, der zumindest ab einem gewissen Alter die Reintegration mitfinanzieren könnte, wie Martin Allemann erklärte. Dies, weil die IV bisher den Betroffenen oft Leistungen verweigerte mit der Begründung, sie seien ja nicht arbeitsunfähig.
RBS-Direktor Fabian Schmid beurteilte die Fonds-Idee aber skeptisch: Die Unternehmen könnten kaum zweckgebun- dene öV-Mittel in einen Sozialfonds stecken, zumal es mit der IV schon eine Institution für solche Fälle gebe. Er habe selber schon Reintegrationen mithilfe der IV durchgeführt: Diese übernahm einen Teil des Lohns, weil die Leistung diesem nicht entsprach. Und ein eigentliches Bleiberecht für die Mitarbeitenden fände Schmid problematisch, «weil manchmal auch das persönliche Engagement fehlt – auf beiden Seiten.» Der RBS sei zu Reintegrationen bereit und habe auch schon von Institutionen Reintegrationsfälle übernommen, doch könne deren Zahl für einen Betrieb auch zu gross werden. «Man muss manchmal auch jemanden abgeben können.» Allemann will nicht unbedingt ein «neues Kässeli», sondern gute Lösungen für die Betroffenen.
IV gefordert
Martin Gabl, Leiter der IV-Geschäftsstelle des Kantons Solothurn, räumte ein, dass zwischen Institutionen manchmal Fälle hin und her geschoben würden, doch wolle man solche «Schwarzpeterspiele» künftig durch bessere Koordination vermeiden. Gabl verwies auf die Möglichkeit, bei der IV eine Früherfassungsmeldung zu machen, noch bevor Arbeitnehmende aus ihrem Betrieb ausgeschieden sind, mit dem Ziel, dass es gar nicht so weit kommt.
Markus Fischer
Nationalrätliche Verschlechterung der «Altersvorsorge 2020» einstimmig abgelehnt
Ein Extrabus brachte die über 200 Teilnehmenden bei strömendem Regen von Solothurn nach Zuchwil ins blumengeschmückte Personalrestaurant der Scintilla AG. Auf den Tischen warteten Züpfli, «Sodi und Co. aus dem Buechiberg» spielte auf.
René Schnegg, Präsident der gastgebenden VPT-Sektion RBS, die dieses Jahr 100-jährig wurde wie die Linie Bern–Solothurn, hiess alle willkommen.
VPT-Zentralpräsident Gilbert D’Alessandro dankte für die Treue zum SEV.
Vizezentralpräsident Ueli Müller verwies auf die verteilte VCS-Petition gegen den «Serviceabbau beim Billettverkauf»: Die SBB will ihre Zusammenarbeit mit Stationshaltern, Avec-Shops, Post usw. kündigen, was 52 Billettschalter treffen würde. Müller stellte auch die VPT-Resolution gegen die Entgleisung der «Altersvorsorge 2020» vor: Der Nationalrat will die Umwandlungssatz-Senkung in der 2. Säule allein durch höhere Pensionskassenprämien ausgleichen, was gerade die Jungen sehr teuer zu stehen käme. Zudem machen Mehrinvestitionen in die 2. Säule bei den zurzeit tiefen Zinsen keinen Sinn. Daher fordert der Unterverband VPT auch eine Kompensation in der AHV. Und er sagt nein zu einer automatischen Erhöhung des Rentenalters auf 67 wie auch zum Rentenalter 65 für die Frauen, solange diese in der 2. Säule benachteiligt sind wegen der Lohnungleichheit und ihrem Verzicht auf Erwerbsarbeit zugunsten der Familie. Die Resolution wurde einstimmig angenommen.
SEV-Präsident Giorgio Tuti erklärte, dass die SGB-Delegierten der Reform nach der Differenzbereinigung zwischen den Räten im März wenn nötig den Kampf ansagen werden. Und er bat alle, am 2. Februar die Unternehmenssteuerreform III abzulehnen, weil sie riesige Steuerlöcher reisst, die das öV-Personal direkt treffen würden.
SEV-Vizepräsidentin Barbara Spalinger rief das Personal der KTU auf, das SBB-Personal bei dessen Kampf gegen die faktische Abschaffung der Berufsinvaliditätsrenten zu unterstützen, da das Thema alle betrifft (siehe Haupttext).
RBS-Direktor Fabian Schmid erwähnte den Kostendruck, der auf den öV-Unternehmen lastet, und dankte für die «intakte» Sozialpartnerschaft.
Mit dem Apéro, spendiert vom RBS, und dem feinen Mittagessen ging es gemütlich weiter. Die Tombola überraschte mit tollen Preisen.
Fi